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    Hinterm Horizont, dann links

    By F.-B. Habel | September 10, 2012

    Längst war Bernd Böhlich, der in den achtziger Jahren an der HFF in Potsdam-Babelsberg sein Handwerk lernte, ein vielfach preisgekrönter Fernsehregisseur (u.a. mehrfach mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet), als er sich mit Ende vierzig den Wunsch erfüllte, Spielfilme zu inszenieren.

    Die Sozialkomödie Du bist nicht allein (2007), stilistisch an Mike Leighs Filme, etwa Happy-Go-Lucky erinnernd, war sein bisher größter Kino-Erfolg. Neben den Hauptdarstellern Axel Prahl und Katharina Thalbach setzte er in Nebenrollen einstige Theater- und Fernsehlieblinge wie Walfriede Schmitt, Jürgen Holtz und Heinz Behrens ein. Bernd Böhlich liebt alte Komödianten. Schon als Regisseur im DDR-Fernsehen holte er verdiente Mimen wie Doris Thalmer, Lotte Meyer und Martin Hellberg für letzte Auftritte vor die Kamera. So nimmt es nicht wunder, dass er schon vor 11 Jahren ein Szenario über widerspenstige Alte im Heim (heute Senioren-Residenz genannt) geschrieben hat. Damals begann mit Lars Büchels Rentner-Komödie Jetzt oder nie, die den betagten Hauptdarstellerinnen den Ernst-Lubitsch-Preis einbrachte, der Boom der Filme, in denen rüstige Senioren noch einmal etwas Ungewöhnliches machen, weil sie mit ihrer Lebenssituation unzufrieden sind. Sicherlich liegt das Thema in der Luft, denn Menschen werden immer älter, während sich ihre soziale Situation oft verschlechtert.  Daß die Rentner in Böhlichs Geschichte ein Flugzeug entführen, ließ aber Geldgeber – speziell nach 9/11 – zögern. Dürfte es nicht auch eine Straßenbahnentführung sein?

    Inzwischen scheinen die Bedenken nicht mehr so stark zu sein, denn die Geschichte kam mit viel Augenzwinkern auf die Leinwand. Dabei ließ Böhlich in Hinterm Horizont, dann links nicht sein Anliegen aus den Augen. Wie gehen wir mit unseren Alten um? Schieben wir sie ab? Und wenn sie schon in ein Altersheim müssen, tun wir dann alles, was möglich ist, um ihnen das Leben so lebenswert wie möglich zu machen? Diese Polemik schob sich gelegentlich vor das komödiantische Spiel, für das er eine Garde großer alter Schauspieler aus Ost und West vor der Kamera versammelte.

    Das Hauptpaar, das erst im Laufe der Handlung vorsichtig zueinander findet, bilden Otto Sander (West) und Angelica Domröse (Ostwest), die erst knapp über 70 sind, sich aber durchaus Altersbeschwerden anmerken lassen. Ihnen zur Seite bilden Monika Lennartz (Ost) und Herbert Feuerstein (West) ein Paar, bei dem der Mann die Frau stets unterdrückt, bis sie sich sachte emanzipiert. Die Publikumslieblinge Herbert Köfer (Ost) sowie Ralf Wolter und Tilo Prückner (beide West) sorgen für einige Gags, und die ehemalige Grand Dame der Ostberliner Volksbühne, Marion van de Kamp, spielt eine ehemalige Grand Dame der Volksbühne, wie man an den Postern in ihrem Zimmer deutlich sehen kann. Dass Böhlich ausgerechnet an ihre Figur die Erinnerung an Nazi-Minister Goebbels knüpft, wäre nicht nötig gewesen. Die jüngere Generation, darunter Anna Maria Mühe, Robert Stadlober und Steffi Kühnert, kann sich behaupten, ohne den Alten die Show zu stehlen.

    Die etwas märchenhafte Komödie endet natürlich versöhnlich, aber die Denkanstöße, die sie gab, bleiben.

    Topics: Film Reviews, German Film | Comments Off on Hinterm Horizont, dann links

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