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Berlinale Wettbewerb: Boyhood
By Doreen Butze | February 17, 2014
Wie jedes Jahr im Wettbewerb der Berlinale gibt es Höhe und Tiefen durch zuschauen. Heute möchte ich kurz etwas über den Film berichten, der gefühlt den meisten Applaus der Kritikerkollegen bekam und mir sehr gut gefallen hat.
Es handelt sich um Richard Linklaters Coming-of-Age-Film Boyhood. Dieses Langzeitprojekt erstreckt sich mittlerweile über einen Zeitraum von zwölf Jahren. Seit 2002 versammelt der Regisseur Linklater immer die gleichen Darsteller vor der Kamera, um deren Entwicklung zu verfolgen. Das vorläufige Endergebnis wurde am Donnerstag, den 13. Februar 2014 im Wettbewerb gezeigt. Die Zuschauer begleiten den sechsjährigen Mason (Ellar Coltrane) und seine Schwester Sam (gespielt von Lorelei Linklater; Tochter von Richard Linklater) durch ihre Kindheit bis hin zum College. Ihre Mutter Olivia (großartig: Particia Arquette) kümmert sich voller Hingabe und mit viel Liebe um den Nachwuchs. In Liebesdingen hat sie nicht immer das richtige Händchen, mehrere Scheidungen sind das Ergebnis. Der Vater ihrer Kinder (Ethan Hawke) spielt auch nach der Trennung noch eine bedeutende Rolle im Leben der Heranwachsenden.
Mit seiner Trilogie Before Sunrise (1995), Before Sunset (2004) und Before Midnight (2013) legte Linklater den handwerklichen Grundstein für den 164 min langen Boyhood. Offenbar interessiert sich der Regisseur für den Prozess des ‘Älterwerdens’ der Charaktere. Nicht nur den optischen Veränderungen, sondern auch den Veränderungen in den Einstellungen und im Verhalten der Protagonisten ist er auf der Spur. Geduldig beobachtend extrahiert er die Essenz der jeweiligen Lebensstationen und -situationen heraus und zeigt sie dem Zuschauer auf unterhaltsame Weise. Leicht und locker plätschert die Geschichte dahin. So leichtfüßig und unbeschwert sind auch die Dialoge.
Ebenso nimmt uns der Film mit auf einen Streifzug durch die jüngsten politischen, medialen und popkulturellen Wandlungen: die Wahl Obamas, die technische Entwicklung vom stationären Desktop-Rechner im Kinderzimmer hin zum mobilen Endgerät, oder die aufkommende Nutzung sozialer Netzwerke. Vervollständigt wird das Ganze noch durch den vorzüglichen Soundtrack, der mit eingängigen und populären Stücken z. B. von Coldplay oder Daft Punk oft die eigenen Erinnerungen an jene Zeit (zumindest bei mir) wachruft.
Richard Linklater schafft ein authentisches und in sich stimmiges Bild vom Prozess des Erwachsenwerdens. Es fügt sich alles wunderbar ineinander. Linklater stellt uns keinen Masterplan, keine Blaupause vor, wie der perfekte Weg auszusehen hat, um das Leben zu bewältigen; aber er gibt Hoffnung, dass das alles schon irgendwie werden wird. Danke Mr. Linklater für diesen schönen Wettbewerbsbeitrag.
Die Internationale Jury der 64. Berlinale zeichnete Richard Linklater für seine Arbeit an Boyhood mit den Silberner Bären für die Beste Regie aus.
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