« Ehrenpreis für Geißendörfer | Home | Niklas Schilling und seine Filme »
Die Wolken von Sils Maria
By Doreen Butze | December 9, 2014
Regisseur Olivier Assayas bietet dem Zuschauer in Die Wolken von Sils Maria eine Analyse auf mehreren in sich durchdringenden Ebenen über das Älterwerden im Kulturbetrieb, besonders aus Sicht der Frauen heraus. Schon in Irma Vep (1996) Filme reflektierte er vielschichtig über Mechanismen in der Kreativwirtschaft, z.B. in der Filmproduktion.
Die erfolgreiche französische Schauspielerin Marie Enders (Juliette Binoche) ist zusammen mit ihrer Assistentin Valentine (Kristen Stewart) unterwegs nach Zürich. Dort soll Maria stellvertretend für den befreundeten Schriftsteller Wilhelm Melchior einen Preis entgegen nehmen. Bevor sie jedoch am Ziel der Reise ankommen, erfahren sie, dass Melchior plötzlich verstorben ist. Bei der Preisverleihung lernt Maria den deutschen Regisseur Klaus Diesterweg (Lars Eidinger) kennen, der Melchiors Theaterstück Maloja Snake neu inszenieren will. Darin geht es um die spannungsgeladenen Beziehung zwischen der Geschäftsfrau Helena und der jungen Angestellten Sigrid. Als 18jährige hatte Maria mit diesem Stück ihren Durchbruch. Nun soll sie die Rolle der Helena übernehmen. Für die Rolle der Sigrid ist der Hollywood Shootingstar Jo-Ann Ellis (Chloë Grace Moretz) vorgesehen. Maria gerät mehr und mehr ins Grübeln über ihre Rolle und auch über sich selbst. In Melchiors Haus, das abgeschieden im Engadin liegt, beginnt sie sich das Stück neu zu erarbeiten…
Assayas stellt in seinem Film die Perspektiven zweier Frauen stellvertretend für zwei Generationen gegenüber. Auf der einen Seite die älterer, gelassene Maria auf der anderen Seite die junge, ungestühme Val. Während der Proben im einsamen Haus in den Schweizer Alpen treten die Meinungsverschiedenheiten der Beiden offen zu Tage. Oft münden die soeben eingeübten Dialoge in langen Diskussionen an deren Ende oft nicht unterscheidbar ist, ob es sich noch auf das Stück bezieht oder auf die Lebenssituationen der Protagonistinnen. Maria beginnt mich sich und der Rolle vor dem Hintergrund ihres Alters zu hadern. Diese Gegensätze bildet Assayas metaphorisch im Naturschauspiel ‘Maloja-Schlange’ noch einmal ab. Das Wetterphänomen wird mit Impressionen aus dem Kurzfilm Das Wolkenphänomen von Maloja (1924) vorgestellt. So wie die Wolkenschlange durch Tal zieht und die Sicht drübt, trübt sich auch das Verhältnis Maria und Val ein. Die Grenzen verschwimmen.
Gleichzeitig bewegt sich Assayas mit Die Wolken von Sils Maria auf der Höhe der Zeit, deren Entwicklungen er skeptisch aber auch offen beleuchtet. So bleibt natürlich die Kritik am vermeintlich allmächtigen Unternehmen Google nicht aus. Ein paar Szenen später nutzt Maria jedoch wie selbstverständlich die Google Bildersuche oder YouTube. Auch hier betrachtet er beide Perspektiven abwägend ohne eine zu bevorzugen.
Die Wolken von Sils Maria ist ein intelligent konstruierter und vielschichtiger Film über das Älterwerden. Manchmal kann der Zuschauer die leise Wehmut über den Verlust der Jugend spüren, aber Assayas gelingt es ein ausgewogenes Verhältnis beider gegensätzlicher Ansichten – Jugend und Alter – darzustellen. Juliette Binoche überzeugt auf ganzer Linie. Kristen Stewart, eine echte Überraschung, kann ebenso mithalten. So entsteht eine besondere Dynamik zwischen beiden Hauptdarstellerinnen in den Dialogen und Diskussionen, die den Zuschauer fesselt.
Die Wolken von Sils Maria hatte seine Premiere bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes, wo er im Wettbewerb lief. Die deutsch-französisch-schweizerische Co-Produktion startet am 18. Dezember in den deutschen Kinos.
Topics: Film Reviews, International Reports | Comments Off on Die Wolken von Sils Maria
Comments are closed.