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Lateinamerikanische Beiträge im Wettbewerb der Berlinale
By Doreen Butze | February 20, 2015
Bei der diesjährigen Berlinale waren insgesamt drei Beiträge aus Ländern Lateinamerikas im Wettbewerb vertreten. Allesamt haben mir durchaus gut gefallen, reflektieren sie doch gegenwärtige aber auch vergangene politische und gesellschaftliche Verhältnisse.
Beginnen möchte ich mit Ixcanul einer guatemaltekisch-französischen Koproduktion von Jayro Bustamante. Zum ersten Mal nahm ein Film aus Guatemala am Wettbewerb teil. In seinem Regiedebüt erzählt er die Geschichte des 17-jährigen Kakchiquel-Maya-Mädchens Maria (María Mercedes Croy). Sie lebt mit ihrer Familie im guatemaltekischen Hochland nahe eines Vulkans Ixcanul. Sie arbeiten auf einer Plantage als Kaffeepflücker. Maria ist dem Vorarbeiter der Plantage Ignatio versprochen, aber sie liebt Pepe (Marvin Coroy). Doch dann wird sie von Pepe schwanger. Mit Hilfe von Beschwörungen und besondere Ritualen versucht die Mutter (María Télon) das Ungeborene abzutreiben, was nicht gelingt. Als Maria von einer giftigen Schlange gebissen wird, kommt sie ins Krankenhaus und verliert angeblich ihr Baby.
Bustamante zeigt in ruhigen schönen Bildern die Naturverbundenheit und auch das einfache Leben der Menschen im guatemaltekischen Hochland weit ab von größeren Städten. Die Kamera beobachtet Rituale und Traditionen dieses Teils der indigenen Bevölkerung. Gleichzeitig zeigt er auch den Mangel an Bildung und die Armut der Menschen. Viele beherrschen die Amtssprache Spanisch nicht. Dies alles manifestiert sich neben der räumlichen Isolation auch in einer gesellschaftlichen Isolation. Zu spüren bekommt dies besonders Maria, als sie nach dem Schlangenbiss im Krankenhaus erwacht und auf Grund einer bewusst falschen Übersetzung von Ignatio ein Formular unterschreibt und damit ihr angeblich totes Baby zur Adoption freigibt. Die Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht, wird fast schon in einem dokumentarischen, beobachtenden Stil erzählt. Besonders überzeugend waren die beiden Hauptdarstellerinnen María Mercedes Croy und María Télon, die hier ebenso ihr Filmdebüt hatten. Dafür gab es den Alfred-Bauer-Preis (Silberner Bär) für einen Spielfilm, der neue Perspektiven eröffnet.
Noch etwas besser hat mir der Film El Bóton de Nacár (Der Perlmuttknopf) von Patricio Guzmán gefallen. Der bereits mit mehreren Preisen bedachte Dokumentarfilmer, erhielt auch bei der diesjährigen Berlinale den Silbernen Bären für das beste Drehbuch. In Der Perlmuttknopf verbindet Guzmán die Geschichte des Wassers mit der Geschichte Chiles. Stück für Stück gibt das Wasser gibt Geschichtsfragmente aus der chilenischen Vergangenheit preis. Wir erfahren etwas über das Unrecht, das den Ureinwohnern durch die gewaltsame Kolonialisierung Patagoniens widerfuhr. Ureinwohner kommen zu Wort und berichten über ihre Kultur, die eng mit der Quelle des Lebens verbunden ist. Aber auch die Pinochet-Diktatur wird thematisiert. In dieser Zeit wurden viele politische Gefangene, beschwert mit einem Stück Eisenbahnschiene, einfach aus Hubschraubern in den Ozean geworfen. Heute zeugen nur noch die verrotteten Schienen von den Morden an über 1.400 Menschen. Ab und zu versteigt sich Guzmán ins esoterisch wirkende Erzählen. Dann schwächelt der Film etwas. Mäandernd, in ruhigen Bildern treibt der Film dahin und bringt uns schon fast beiläufig die Gräueltaten an Teilen der chilenischen Bevölkerung nahe, so wie Wasser, dass manchmal seine Geheimnisse einfach mit den Wellen ans Ufer trägt und somit sichtbar macht.
Der dritte Beitrag im Wettbewerb war El Club von Pablo Larraín. Er wurde mit dem Silbernen Bären (Großen Preis der Jury) ausgezeichnet. Larraín wurde mit seinem Film No!, in dem er sich mit der Geschichte der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet auseinander setzt, 2013 als erster chilenischer Film überhaupt, für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film nominiert. In El Club beschäftigt er sich mit dem Umgang mit pädophilen Priestern in der chilenischen katholischen Kirche. In einem kleinen, abgelegenen Küstendorf leben die exkommunizierten Priester in der Verbannung. Ihr einfaches Leben wird gestört als Pater Matias (José Soza) zu ihnen kommt. Kurze Zeit später steht der Obdachloser Sandokán (Roberto Farías) vor dem Haus der Priester und berichtet lautstark, dass er vom Neuankömmling sexuell missbraucht wurde, als er noch ein Kind war. Matias sieht keinen anderen Ausweg mehr als sich umzubringen. Sandokán bleibt im Küstendorf und wird zunehmend als Bedrohung von den Anderen angesehen, die es zu beseitigen gilt. Dann schickt die Kirche auch noch einen Priester und Psychologen vorbei, der die Vorgänge untersuchen soll. Eines Nachts eskaliert die Situation…
In atmosphärischen Bildern deckt Larraín die Ambivalenzen im Handeln den Figuren auf. Dabei verharrt die Kamera oft sehr nah und sehr lang auf den Gesichtern der Protagonisten, als wolle sie das wahre Wesen jedes einzelnen Charakters ergründen. Wir werden mit den persönlichen Abgründen konfrontiert, die von den Figuren selbst oft nicht als solche wahrgenommen werden. Doch es gibt einen Weg ihnen ihre Schuld Tag für Tag zu vergegenwärtigen.
Ich für meinen Teil hoffe, dass diese Filme den Weg in die Kinos finden werden und es bald noch mehr interessantes Polit-Kino auf Lateinamerika geben wird.
Topics: Film Reviews, International Reports | Comments Off on Lateinamerikanische Beiträge im Wettbewerb der Berlinale
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